Porträtfotos Richard Hilmer, Lorenz Maroldt

Berlin Capital Club – Was fordert die Stadt von der Politik?

Am heutigen Morgen trafen sich rund sechzig Berliner:innen:innen aus verschiedenen Bereichen der Stadt im Berlin Capital Club am Gendarmenmarkt. Die Stiftung Zukunft Berlin hatte zu ihrem Format unter dem Motto “Verantwortlich für Berlin: Nach der Wahl: Was erwarten die Berliner:innen von der Politik” eingeladen. Die Gäste diskutierten über die dringende Reform der Berliner Verwaltung, die Zustände in den Schulen der Stadt und die Probleme, die der Mangel an Fachpersonal in der Stadt verursacht. Beate Stoffers, Geschäftsführerin der Stiftung, begrüßte die Gäste mit einigen Worten, während und Markus Dröge, Vorstandssprecher der Stiftung leitete das Gespräch leitete.

Blockade zwischen Bezirken und Senat

Zunächst ordnete der renommierte Demoskop Richard Hilmer die jüngsten Wahlergebnisse ein. Aus seiner Sicht ist die Stimmung der Berliner:innen polarisiert. Im Wahlkampf wurde es auf die Spitze getrieben – jung gegen alt, Fahrrad gegen Auto. Dabei würden die Gräben zwischen den Menschen tiefer, so Hilmer. Nach seiner Ansicht sind die Themen der Stadt Sicherheit, Fahrradmobilität, der Zustand der Schulen, das Wohnen in der Stadt und eine Blockade zwischen Bezirken und Senat.

Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Tagesspiegel, war als zweiter Impulsgeber eingeladen. Seiner Einschätzung nach sind die Probleme Berlins in vielen Großstädten zu finden, nur hier seien sie schlimmer. Die Verwaltung müsse „zu Potte kommen“, meint er und kritisierte die schwer zu vermittelnde Situation, dass die Bezirksbürgermeister:innen trotz Wiederholungswahl im Amt bleiben. „Egal wo und mit wem man über die Politik dieser Stadt redet, das Interesse ist groß, aber es gibt immer nur Ratlosigkeit.“ Darum hat er den kühnen Vorschlag gemacht: Eine „ganz große Koalition“ aus CDU, SPD und Grünen solle sich bilden, um die nächsten drei Jahre bis zur Wahl intensiv zu nutzen, da so auch die nötigen Verfassungsänderungen auf den Weg gebracht werden könnten. Seiner Ansicht nach war die Friedrichstraße ein Sinnbild für die beschnittene Kompetenz der Regierenden. Der Tagesspiegel veröffentlichte Zahlen, nach denen ein Drittel der hier lebenden Menschen die Stadt eigentlich verlassen wollen, weil es hier „ungemütlich ist“, trug der Chefredakteur vor.

“Wir hatten eine Unzufriedenheitswahl”

Aus den Beiträgen wurde auch die These Maroldts bestätigt: “Wir hatten eine Unzufriedenheitswahl”, denn so Maroldt weiter: “28 Prozent ist auch kein Gewinnerergebnis.” Es müsse verhindert werden, dass die Stadt in einen Frustmodus kommt. Aufgabe der Stadtgesellschaft ist es, die Verwaltung voranzutreiben.

Gesprächsteilnehmendeer wiesen darauf hin, dass Berlin eine klare Verantwortungsteilung braucht. Ein Neuköllner-Stadtrat erklärte, dass das Bezirksamt oft Widersacher des Senats sei und wies darauf hin, dass nicht nur ein Drittel der Menschen gehen wollen, sondern auch Firmen, Ideen und Potenzial hinter dieser Zahl stehen.

Digitalisierung ist ein wichtiges Thema für die Verwaltung und die Wirtschaft

Im Rahmen der Veranstaltung wurde deutlich, dass die Digitalisierung ein wichtiges und dringendes Thema ist. Der Redner betonte sogar, dass alle Regierungen in diesem Bereich versagt haben. Bürgermeister von Treptow-Köpenick brachte zur Sprache, dass die Bürger:innen und Stadträtinnen und die übergeordneten Ebenen immer mehr Ansprüche haben, aber an der Basis ein Personalmangel herrscht. Der Spandauer Unternehmer Hendrik Ruhe erklärte, dass Berlin eine Stadt im Wandel ist und er im Randbezirk Spandau ein gutes Umfeld für digitale Unternehmen gefunden hat. Er gestaltet diesen Wandel gerne mit und wünscht sich von der Politik mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Unternehmer:innen. Zudem betonte er, dass die Motivation der Arbeitnehmer:innen nicht nur darin liegt, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern auch ein ordentliches Auskommen bei guten Arbeitsbedingungen zu haben. Letzteres könne sich der Staat von der Wirtschaft abgucken.

Die 17-jährige Friedrichshainerin und Schülerin Ha Thu Nguyen machte deutlich, dass sie Angst hat, dass Schulen bei diesem Wandel vernachlässigt werden. Sie sagte: „In Schulen gibt es viele Probleme: Lehrer:innen fehlen, Räume für Unterricht fehlen und es gibt Gewalt. Vergraulen Sie uns Jungen nicht, sonst werden wir wütend auf die Demokratie.“