Rückblick: Nachbarn bei Nachbarn im Gutshaus Friedenfelde am 14. und 15. September 2024

„Stadt – Land – Datenfluss“ Ein „Laborgespräch“ im Rahmen des Projekts „Shared or divided – geteilter Raum Berlin-Brandenburg“ des Zukunftsforums Berlin-Brandenburg

Im bei Gerswalde in der Uckermark gelegenen Gutshaus Friedenfelde fand am 14. und 15. September 2024 der zweite Workshop des Projekts „Shared or divided? Geteilter Raum Brandenburg / Berlin / Europa“ statt. Unter diesem Titel führt das Zukunftsforum Berlin-Brandenburg im Sommer und Herbst 2024 eine Folge von Werkstattgesprächen zu vier zentralen Themen durch, in denen sich die Beziehungen von Berlin und Brandenburg spiegeln. Gäste aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur sprechen über Grenzräume und Nachbarschaften, Erinnerungskultur und Zukunftsvision, Ökologie und Ökonomie. Die Ergebnisse der „Labore“ zur gemeinsamen Zukunft, aber auch zu differenzierten Perspektiven des Raums Berlin-Brandenburg, werden im kommenden Jahr 2025 in einem Kulturfestival der Öffentlichkeit vorgestellt. Allen Teilnehmenden gemeinsam ist das Engagement vor Ort und nicht zuletzt auch die Sorge um ein gutes Miteinander von Brandenburgern und Berlinern, Zugezogenen und Dagebliebenen, „Neu-Brandenburgern“, „Wahl-Brandenburgern“ und „Berlin-Brandenburgern“, wie eine Teilnehmerin es formulierte.

Daniel Haver
Daniel Haver
Daniel Haver

Im Gutshaus Friedenfelde ging es um die Frage, in welcher Weise die allgegenwärtige Digitalisierung das Verhältnis von Mark und Metropole beeinflusst, in den administrativen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen, aber auch ganz konkret im Alltag. Viele der zwanzig Teilnehmenden sind in der Uckermark verwurzelt, in Lokalpolitik, in Verbänden, in Kulturinitiativen oder als Engagierte. Andere, wie Friedemann Kunst von der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung oder der im Oderbruch lebende Autor Björn Kern, beschäftigen sich wissenschaftlich oder literarisch mit Lebenswirklichkeit und Lebensgefühl eines Bundeslandes, das seine Rolle zwischen Metropolregion und „ländlichen Räumen“ angesichts der Herausforderungen globaler Modernisierung neu ausloten muss.

Interdisziplinär und ergebnisoffen angelegt, bot der Workshop ein Forum für vielfältige, oft auch persönlich grundierte Wahrnehmungen, wobei der digitale Wandel als Teil eines gelegentlich auch spannungsreichen Modernisierungsprozesses und vor allem als Verständigungsaufgabe zwischen „Berlinern“ und „Uckermärkern“ erschien.

Daniel Haver
Daniel Haver
Daniel Haver

Sind „Stadt“ und „Land“ in digitalen Zeiten überholte Kategorien, wie es ein Teilnehmer formulierte, oder verschärft die Digitalisierung nicht vielmehr die Unterschiede bei der Versorgung mit Läden, Dorfkneipen, Schulen und Arztpraxen? Beispiele gab es für beide Thesen. Ob die digitale Durchdringung aller Lebensbereiche als Chance oder als Bedrohung wahrgenommen werde, sei nicht zuletzt eine Frage des Alters. Auch Schlussfolgerungen wurden folglich kontrovers diskutiert. Während die einen die Lösung darin sehen, alte wie junge Menschen „fit für die digitale Zukunft“ zu machen, sehen die anderen die Gefahr eines Realitätsverlustes, wenn reale mehr und mehr durch digitale Erfahrung ersetzt werde. Ihre Konsequenz: Wieder lernen, wie eine digital arme Gesellschaft funktionieren kann. Ein Schlüssel dafür sei Beziehungsarbeit. Die Aufgabe könnte sein, Beziehungsarbeit mit Digitalisierung zusammenzubringen und dadurch zu stärken.

Aber, so wurde im Gespräch argumentiert, im seit jeher migrantisch geprägten Brandenburg begründe sich das heimatliche Dazugehören nicht durch Ortsansässigkeit über Generationen, sondern durch Engagement vor Ort, durch Austausch zwischen Nachbarn, durch Neugier und Offenheit. „Es braucht Ehrlichkeit, um auf dem Lande anzukommen“, so die Empfehlung eines Teilnehmers für Stadtflüchtige. Aber auch ganz handfeste Konflikte und Strukturprobleme der Region kamen zur Sprache: Gentrifizierung und steigende Immobilienpreise etwa oder der durch digitale Unterhaltungsangebote und Online-Portale verstärkte Verlust von Dorfkneipen und Dorfläden. Dem stünden, so die Gegenposition, die Flexibilisierung der Arbeit durch das sogenannte Homeoffice, der Zugang zur digitalen Information an (fast) jedem Ort, innovative Lösungen für Verkehr und Wirtschaft gegenüber. Anschaulich wurde im Gespräch, dass die (digitale) Lebenswirklichkeit in und zwischen Berlin und Brandenburg sehr unterschiedlich ausfällt, je nach Zugehörigkeit zur jüngeren oder älteren Generation, je nach Berufsfeld und persönlicher sozialer Lage.

Kurt Winkler
Daniel Haver
Daniel Haver

Träger des Projekts „Shared or divided – geteilter Raum Berlin-Brandenburg“ ist das Zukunftsforum Berlin-Brandenburg innerhalb der Stiftung Zukunft Berlin. Das Vorhaben wird gefördert von Kulturland Brandenburg und gemeinsam mit dem Gutshaus Friedenfelde, dem Oderbruchmuseum Altranft – Werkstatt für ländliche Kultur, dem Museum Utopie und Alltag, Beeskow / Eisenhüttenstadt und weiteren Netzwerkpartnern durchgeführt.