Aufruf zur Wahrung der Dialogkultur in Berlin

Wir müssen anfangen
Aufruf zur Wiederherstellung der Diskursfähigkeit in unserer Gesellschaft

Seit dem 7. Oktober 2023 und bis heute ist vieles aus dem Ruder gelaufen – auch die Art, wie innerhalb der offenen, demokratischen Gesellschaften über den Nahostkonflikt geredet oder besser gesagt: nicht geredet wird. Beschuldigungen sind zu oft an die Stelle des Zuhörens und Argumentierens getreten. Menschen werden öffentlich an den Pranger gestellt, wenn sie sich für Diskursfreiheit einsetzen. Diskussionsräume werden bewusst durch Störungen zerstört. Die Scheu, in vielen Fällen inzwischen auch die Angst gegenüber freier Meinungsäußerung wächst auf allen Seiten.

Das muss aufhören: Mit diesem Appell wenden wir uns an Zivilgesellschaft, Politik und Medien. Wir müssen klare Grenzen ziehen gegenüber jeglicher Legitimierung von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen – aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass offene Diskussion verweigert oder unmöglich gemacht wird. Die Demokratie lebt von einem solchen offenen Diskurs, ohne ihn erstarrt sie.

Die Lage im Nahen Osten fordert auch bei uns die gesamte Gesellschaft heraus. Wir dürfen unser Zusammenleben über Herkunfts- und Kulturgrenzen hinweg nicht gefährden. Wir sollten stattdessen, die Vielfalt der Gesellschaft nutzen, um respektvolles Zusammenleben, aber auch respektvollen Diskurs über Beiträge zum Frieden möglich zu machen. Das fordert uns alle, es ist aber auch eine demokratische Verpflichtung.

Konkret heißt dies:

  • Wir müssen aufhören, Menschen aufgrund ihrer Nationalität, ihrer kulturellen Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit eine unterstellte politische Auffassung oder Verhaltensweise zuzuschreiben, ohne ihre persönliche Meinung zu kennen. Menschen aus Kunst und Wissenschaft beispielsweise dürfen nicht allein wegen ihrer israelischen Herkunft oder pro-palästinensischen Haltung ausgegrenzt werden.
  • Wir müssen aufhören, zu schnell politische Bekenntnisse einzufordern, ohne die Möglichkeit zum differenzierten Diskurs zu geben.
  • Wir müssen aufhören, Menschen öffentlich an den Pranger zu stellen oder auf Prangerlisten zu führen. Dies beraubt sie der  Möglichkeit, ihre Meinung so zu äußern, dass sie gehört und verstanden werden können. Auch wenn Menschen oder Institutionen allein aufgrund ihrer Kontakte, die sie zu Personen aufrecht-erhalten, welche möglicherweise problematische Meinungen vertreten, ausgegrenzt werden,  wird die in einer freien Demokratie notwendige kritische Diskurskultur unterminiert und einer Denunziationskultur Vorschub geleistet.
  • Wir müssen aufhören, Personen bewusst misszuverstehen oder Folgerungen aus Äußerungen zu ziehen, die nicht eindeutig belegt sind.  Die Forderung nach Waffenstillstand oder die Anteilnahme an den Opfern des Gaza Krieges sind nicht als solche gleichbedeutend mit der Leugnung des Existenzrechts Israels. Opfer dieser Überführungskultur sind nicht zuletzt auch jüdische Intellektuelle, Künstler und Wissenschaftler, die sich dem Antisemitismusvorwurf ausgesetzt sehen.
  • Wir müssen aufhören, Argumente durch Drohungen zu ersetzen, Diskurse
    durch Einschüchterungen zunichtezumachen und durch Übertragung einseitiger Schuldzuweisungen auf unsere Gesprächspartner die Wirklichkeit zu verkürzen. Das gilt nicht zuletzt auch für bewusste Ausladungspolitik und Drohungen gegen Institutionen aufgrund ihrer Kooperationspartner, soweit sie selbst unzweideutig für offenen, fairen und respektvollen Dialog stehen.
  • Wir müssen aufhören, öffentliche Veranstaltungen durch Störungen zu instrumentalisieren und die Meinungsfreiheit zu missbrauchen, zumal um menschenfeindliche Aussagen zu propagieren und Forderungen zu verbreiten, die Menschen in ihrer Existenz bedrohen.

Wir müssen anfangen, einen kritischen, aber respektvollen und zugewandten Diskussionsstil einzufordern und vorzuleben. Alle, denen das friedliche Zusammenleben in unserer freiheitlichen Demokratie am Herzen liegt, müssen sich für die Achtung der Menschenwürde, für Meinungsfreiheit und einen respektvollen Umgang mit den jeweils Andersdenkenden einsetzen. Verrohung des Diskurses, Polarisierung und aggressiver sprachlicher Ausdruck lösen keine Probleme. Wir müssen anfangen, in unserer Gesellschaft diese Fehlentwicklungen zu korrigieren!

Erstunterzeichnende:

Sie wollen den Aufruf mitunterzeichnen? Tragen Sie sich in unser Formular ein.

Dr. Dr. h.c. Markus Dröge, Vorstandssprecher Stiftung Zukunft Berlin, Bischof i. R.

Dr. Richard Meng, Vorstand Stiftung Zukunft Berlin, Chefredakteur Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte

Iman Andrea Reimann, Vorsitzende Deutsches Muslimisches Zentrum e. V.

Prof. Dr. Udo Steinbach, Leiter des MENA Study Centre

Jan-Hinrich Wagner, New Israel Fund Deutschland e.V.

Annette Ahme, Vorsitzende Berliner Historische Mitte e. V.

Dr. Felix Axster, Zentrum für Antisemitismusforschung/Technische Universität Berlin

Esther Baare

Hartmut Bäumer

Dr. Viola Beckmann, Evangelische Akademien in Deutschland e.V.

Janina Benduski, Andreas Köhn, Franziska Stoff, Berliner Kulturkonferenz

Aissatou Binger und Geraldine Hepp, Karneval der Kulturen

Frauke Boggasch, Sprecherin berufsverband bildender künstler*innen berlin e.V.

Rainer Boldt, Vorstand Initiative Berliner Zeitungsviertel e.V.

Dr. Hermann Borghorst, Arbeitsdirektor a.D. sowie ehemals Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin

Henry Bren d‘Amour

Wolfram Buchholz

Engin Çatik

Franziska Eichstädt-Bohlig, Berlin

Gangway – Straßensozialarbeit in Berlin e.V.

Detlev Ganten

Dorothea Gauland, Berliner Missionswerk

Dr. Andreas Goetze, Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW

Michael Gottlob

Volker Heller, Kulturmanager

Dr. Jürgen Henschel

Andreas Herrmann, mianki.Gallery

Angelica Hilsebein

Ann-Kristin Hofmann

Esther Hoffmann

Sven Holm

Dr. habil. Klaus Holz, Antisemitismusforscher

Birgit Huber

Peter Hunze, Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

Barbara Hustedt

Susanne Jahn

Kathrin Janert, Evangelischer Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord

Peter Jörgensen, Baptistenkirche Wedding

Andrea Kerner, conc.arts berlin gUG

Christophe Knoch, Stiftung Zukunft Berlin

Urs Kohlbrenner

Andreas Köhn, ver.di AG Kunst und Kultur Berlin-Brandenburg

Annette Kreimeier, Atelier 36

Prof. Dr. Serdar Kurnaz, Humboldt-Universität zu Berlin

Landesmusikrat Berlin e. V.

Jean-Philippe Laville, Vorstandsvorsitzender, Bürgerstiftung Neukölln

Ulrich Lilie, Präsident Diakonie Deutschland, i. R.

Matthias Lohenner, Superintendent Evangelischer Kirchenkreis Berlin Stadtmitte

Zoë Claire Miller, Sprecherin berufsverband bildender künstler*innen berlin e.V.

Dr. Elfriede Müller, Beauftragte für Kunst im öffentlichen Raum des bbk berlin e.V.

Martina Münch, Leipzig

Christhard-Georg Neubert, Stiftung Christliche Kunst Wittenberg

Waltraut Neubert

PD Dr. Gerdi Nützel, Berliner Forum der Religionen

Paula Palacios, Bürgerstiftung Neukölln

Frank Petratschek, Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V.

Cornelia Poczka

Dr. Silke Radosh-Hinder, Superintendentin Evangelischer Kirchenkreis Berlin Stadtmitte

Andreas Richter, Andreas Richter Cultural Consulting

Penelope Rosskopf, ariadne an der spree GmbH

MD Taha Sabri, Imam und Vorsitzender Neuköllner Begegnungsstätte e.V. / Dar Assalam Moschee

Imam Kadir Sanci, Forum Dialog und House of One

Helmut Sankowsky

Louna Sbou, Oyoun

Martin Schindehütte, EKD, Bischof i. R.

Jürgen Schitthelm, Mitbegründer und Gesellschafter der Schaubühne

Michael Schlickwei

Laura Schlöter

Britta Schubert, verdi Fachgruppe Bildende Kunst

Gerata Steeven, Trinity education and development society.india

Gabriele Stilla-Bowman, Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin e.V.

Beate Stoffers, Stiftung Zukunft Berlin

Nicolas Stoffers

Vera Strobel

Susanne Stumpenhusen, Zukunftsforum Berlin-Brandenburg der Stiftung Zukunft Berlin

Tanja Tawakkoli

Prof. Dr. Anabel Ternès, Managing Director des SRH Institute for Sustainability Management
CEO Sustain Plus GmbH

Sabine Toepfer

Dr. Christof Theilemann, Direktor Ökumenisches Zentrum/Berliner Missionswerk der EKBO

Dr. phil. Dr. rer. med. Peter Ullrich, Technische Universität Berlin

Laura Urbanek

Barbara Vanhauer, Berlin

Tobias Veit, Geschäftsführer Schaubühne am Lehniner Platz

Judith von Radetzky, Graphit Theaterlabor

Roswitha Weber, ver.di AG Kunst und Kultur Berlin-Brandenburg

Henning Wehmeyer

Bertil Wewer, Vorstandsvorsitzender Freunde Neuköllns e. V.

Rainer Wieczorek, Stiftung KUNSTdemokratie in spe, ver.di

Konstanze Winkelsen

Antje Zimmermann, CROSS ROADS – Berlin mit anderen Augen

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