Mit dem Kulturzug durch die Mitte Europas

Welch eine Premiere! Diesen Monat erfuhr eine illustre Reisegruppe mit Zug und Bus die gemeinsame Kulturlandschaft zwischen Berlin und Wrocław (Breslau) und richtete den Blick dabei auf die europäische Dimension dieser Nachbarschaft. Die Reise fand auf Initiative der Stiftung Zukunft Berlin und der Brandenburgischen Sommerkonzerte in Zusammenarbeit mit dem Kulturzug Berlin-Wrocław und der Stiftung OP ENHEIM statt und wurde von Senfkorn Reisen durchgeführt. Sie führte von Berlin ins niederschlesische Legnica (Liegnitz), von dort weiter nach Jawor und Tarczyn bei Wleń und schließlich nach Wrocław und zurück nach Berlin.

Festival FLOWLAND in Tarczyn © Stiftung Zukunft Berlin

Das umfangreiche Kulturprogramm der dreitägigen Reise Mitte September beinhaltete u.a. die von Ewa Stróźczyńska-Wille und Natalie Wassermann moderierte Fahrt mit dem Kulturzug, der seit 2016 jedes Wochenende Berlin und Brandenburg mit Wrocław und Niederschlesien verbindet, mehrere Konzerte des renommierten Orbis Quartetts und der ukrainischen Musikgruppe Dyvostruny, Stadtführungen und Besichtigungen in Legnica, Jawor und Wrocław, den von Volkmar Umlauft präsentierten Besuch des regionalen Festivals für Kunst und Kulinarik „Flowland“ im Ort Tarczyn vis-à-vis der Schneekoppe sowie einen Ausstellungsbesuch im barocken Oppenheim Haus am Salzmarkt in Wrocław.

Gesprächsrunde „Liegnitzer Abend“ © Stiftung Zukunft Berlin

Zwei Gesprächsrunden vertieften und erweiterten das gemeinschaftliche kulturelle Erleben. Beim „Liegnitzer Abend“ diskutierten Tadeusz Krzakowski, Stadtpräsident von Legnica, Rafał Dutkiewicz, Stadtpräsident von Wrocław a.D., Reinhard Schweppe, Deutscher Botschafter in Polen a.D., und Hubertus Fischer, Ehrenpräsident der Theodor Fontane Gesellschaft, moderiert und politisch serviert von Volker Hassemer, Berliner Senator a.D., Die Teilnehmer betonten die Bedeutung dieser Region an der deutsch-polnischen Grenze. Als nationale Peripherien in beiden Ländern mit begrenzter Aufmerksamkeit bedacht, handelt es sich beim Blick auf die Europakarte jedoch um eine zentral gelegene Region von für den Kontinent wesentlicher Bedeutung. „Das hat, an Schlögel erinnernd, kürzlich auch der Bundeskanzler formuliert“, so Volker Hassemer. Die Diskutanten sahen es im Gespräch mit dem Publikum als gemeinsame (deutsche und polnische) Aufgabe, diesem Gebiet im Interesse der EU eine produktive Rolle im europäischen Gefüge zu erarbeiten – eine Aufgabe, bei der wir, die Bürger:innen dieses Gebietes auf polnischer wie deutscher Seite, eine besondere und wiederum gemeinsame Verantwortung haben. Im zweiten, ebenfalls sehr erhellenden Europagespräch widmeten sich die Fontane-Experten Hubertus Fischer und Jan Pacholski der Wahrnehmung Fontanes in Polen.

Die Themen der Reise als Dreiklang der bei der Stiftung Zukunft Berlin angesiedelten Initiativen „Nachbarn bei Nachbarn – Lesungen in Brandenburgs Dorfkirchen“ und „Nachbarn in Europa – Polen“ sowie der Arbeit im Europabereich zeigten sich hier auch als logische Verknüpfung beim Engagement für ein geeintes Europa, das „bottom-up“ durch die Menschen in der Region Berlin-Brandenburg und in Polens Grenzregion gestaltet und gelebt wird.

Konzert im Oppenheim Haus Wrocław © Stiftung Zukunft Berlin

Die Stiftung Zukunft Berlin und die Brandenburgischen Sommerkonzerte schauen bei ihrer kulturellen Kooperation zur Region Berlin-Brandenburg zunehmend über die Landesgrenzen hinaus. Bei dieser Kulturlandreise konnten sie auf die gewachsene Zusammenarbeit der Stiftung mit den Partnern des Kulturzuges Berlin-Breslau und der Stiftung OP ENHEIM, die auf den gemeinsamen Aktivitäten während des Kulturhauptstadtjahres Wrocław 2016 gründet, sowie auf die logistische Unterstützung durch Senfkorn Reisen setzen. Sie alle sind sich einig: Der Auftakt des Reiseangebots in dieser Konstellation verlangt nach schlesisch-interkultureller Wiederholung.

Der nächste Austausch zwischen Berlin und Breslau findet bereits am 24. Oktober 2022 statt, wenn sich Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und der Verwaltung und Politik zum Runden Tisch in Wrocław treffen, um u.a. über die gemeinsamen Herausforderungen der digitalen Welt, Sport und Jugendaustausch und Erfahrungen in der Migrationspolitik zu diskutieren.

Über nationale Peripherien als europäische Chancen wird auch bei der Berlin Conference 2022 debattiert, die in diesem Jahr am 8. und 9. November im Allianz Forum am Pariser Platz in Berlin unter dem Titel „Co-Creating Europe from the Bottom Up!“ stattfindet und Bürgermeister:innen, Europaabgeordnete, zivilgesellschaftliche Vertreter:innen und Kulturschaffende aus Deutschland, Polen und anderen Teilen Europas zusammenbringt.